Fridays for Future – Wo sind die Erwachsenen?

Von: Klaus Euler

09.04.2019

© Marlin Helene

Seit Anfang des Jahres treffen sich freitags weltweit tausende Kinder, Jugendliche sowie junge Erwachsene und demonstrieren für eine entschlossenere Klimapolitik. Sie organisieren Veranstaltungen, versorgen sich mit Informationen und Argumenten, sie führen Diskussionen. Sie politisieren sich. Eigentlich eine hervorragende Entwicklung, sind die Klagen über eine unpolitische Jugend doch seit Jahren groß. Doch im Kontrast zur „Fridays for Future“-Bewegung zeigt sich eher ein anderes Problem: Das Desinteresse der älteren Generationen am Klimawandel.

In der vergangenen Woche war auch ich bei einer solchen – in diesem Fall nachmittäglichen – „Fridays for Future“-Demonstration in einer hessischen Kleinstadt, meinem Wohnort. Die Veranstaltung fand nachmittags statt. Etwa 50 Personen fanden sich vor der Stadtkirche ein, fast ausschließlich Schülerinnen und Schüler, die mit kreativen Transparenten ihrem Anliegen Nachdruck verliehen. Die Eltern der Teilnehmer erschienen buchstäblich vorrübergehend auf der Demonstration – nämlich als sie ihre Kinder mit dem Auto brachten und wieder abholten. Das machte mich wütend. Natürlich hat nicht jeder immer die Zeit zu demonstrieren. Doch bleiben an so ziemlich jedem Freitag die Jungen nahezu unter sich. Warum schließen sich so wenig Erwachsene den Protesten der jüngeren Generation an?

Ganz einfach: Sie nehmen die Kinder und Jugendlichen nicht ernst. Ihr Engagement wird als neues Hobby betrachtet, als Phase, die sicher auch bald wieder vorbei geht, als „Modeerscheinung“, wie der Journalist Stefan Aust die Demonstrationen kürzlich bezeichnete. Arroganz statt Akzeptanz tritt den Protestierenden entgegen. Die Diskussion darüber, ob die Schülerinnen und Schüler während der Unterrichtszeit demonstrieren dürfen, nimmt mehr Raum ein als ihre nur allzu berechtigten Kritikpunkte. Es seien wohl nicht alle Demonstranten so umweltbewegt wie behauptet, lautet der Vorwurf. Wieder andere tätscheln den Jugendlichen die Schulter und belobigen sie auf paternalistische Art und Weise für ihren Einsatz, als ob eine solche Bewertung überhaupt eine Wo sind die Erwachsenen? Rolle spielen würde. Vielmehr sollten die Erwachsenen die Dringlichkeit und die Berechtigung verstehen, mit der die junge Generation ihre Anliegen zum Ausdruck bringt, und sich an den Protesten beteiligen. Schließlich haben sie lange genug das Thema „Klimawandel“ als „Modeerscheinung“ betrachtet, und gehofft, dass das irgendwann wieder vorbeiziehen würde.Fridays for Future

Der vom Menschen gemachte Klimawandel ist eine Realität. Das machen nicht zuletzt die rund 12.000 Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler deutlich, die sich den „Fridays for Future“-Protesten angeschlossen haben. In vielen Teilen der Erde leiden schon heute nicht wenige Menschen an seinen extremen Folgen, wie Naturkatastrophen, Wasserknappheit, Missernten. Es ist dramatisch, dass uns nicht schon das allein zum Handeln bewegt. Doch sollten uns nun wenigstens die Sorgen unserer Kinder genug Antrieb geben, um den Kampf gegen die Erderwärmung anzunehmen.

Öffentlicher Druck auf politische Entscheidungsträger durch Demonstrationen ist das einfachste demo-kratische Mittel. Und dieser Druck ist bitter nötig – das haben unsere Kinder verstanden. Denn die politischen Entscheidungsträger sind weitgehend Totalausfälle, wenn es um den Klimaschutz geht. Verkehrsminister Andreas Scheuer kümmert sich anscheinend lieber um einen Anschluss-job in der Automobilindustrie, anstatt Strategien zu entwickeln, wie im Verkehrssektor endlich erstmals CO2-Emissionen gespart werden können. Umweltministerin Svenja Schulze lässt sich für das hundertste Gremium feiern, in dem nun endlich das Erreichen der Klimaschutzziele 2030 diskutiert werden soll, und vertagt so entschlossenes Handeln um weitere zehn Jahre. Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier verleiht der politischen Hilflosigkeit pointiert Ausdruck mit seinem Satz: „Klimaschutz funktioniert nur, wenn er den Wohlstand nicht gefährdet.“ Als ob Klimaschutz reine Verhandlungsmasse wäre. „Natürlich sollen Parteien und Politiker darüber streiten, wie und mit welchen Mitteln sie beispielsweise den Klimawandel bekämpfen. Wie sie die Insekten schützen und die Abholzung der Wälder verhindern können, wie gute Umweltpolitik aussieht. Doch sie machen sich einfach lächerlich, wenn sie über das Phänomen des Klimawandels an sich diskutieren wollen“, schreibt dazu sehr treffend die Journalistin Petra Pinzler auf Zeit online.

Die Zeit, den Status quo zu verwalten und hier und da durch Kompromisse Interessen auszugleichen, ist längst vorbei. Unser gemeinsames unverhandelbares Interesse muss es sein, unseren Kindern eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen. Das ist indiskutabel – konkrete Maßnahmen sind dringend erforderlich. Den eigenen Kindern die besten Zukunftschancen zu ermöglichen, bedeutet nicht mehr nur, sie mit Bildung und Kapital auszustatten. Das bedeutet auch, ihre Sorgen heute ernst zu nehmen. Mir ist klar, dass viele Eltern schon jetzt ihren Alltag ökologisch gestalten und dass für viele Umweltpolitik ein wichtiges Entscheidungskriterium am Wahltag ist. Und ich kann mir gut vorstellen, dass „Friday for Future“ an vielen Abendbrotstischen Einzug gehalten hat und Eltern mit ihrem Nachwuchs diskutieren, wie sich Plastik vermeiden und Treibstoff sparen lässt. Aber vielleicht sollten wir am nächsten Freitag auch mal aussteigen und uns sichtbar an die Seite der Kinder und Jugendlichen stellen!

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EthikBank erhalten Sonderurlaub, wenn sie ihren Nachwuchs bei den Demonstrationen aktiv unterstützen möchten. Vielleicht können andere Unternehmen auch mal ein Auge zudrücken, wenn Eltern, Großeltern, Tanten oder Onkel den Schülerinnen und Schülern am Freitag den Rücken stärken wollen.

Bildquelle: Marlin Helene

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