Die Retter in Gefahr

Von: Klaus Euler

27.05.2015

Deutschland hat die Eurokrise bisher gut überstanden. Auch aus den vorangegangenen Wirtschafts- und Bankenkrisen ging das Land gestärkt hervor. Das hat einen guten Grund: Die Bundesrepublik greift auf ein dezentrales, breites und regional aufgestelltes Netz aus mittelständischen Banken zurück. Volksbanken und Sparkassen – auch die EthikBank zählt als Tochter der Volksbank Eisenberg dazu – dominieren den Markt mit 67 Prozent der Privatkundeneinlagen. Diese Banken pflegen ein risikoarmes Geschäftsmodell und dienen vorrangig der lokalen Realwirtschaft. So stellen sie die Kreditversorgung des vielzitierten „Rückgrats unserer Wirtschaft“ – des deutschen Mittelstandes – sicher. Doch ausgerechnet diese soliden Pfeiler des Finanzsystems sind stark gefährdet, wenn nicht sogar partiell vom Aussterben bedroht. Schuld daran haben politische Entscheidungen, die zugunsten der Großbanken in den Wettbewerb eingreifen. Ein Entschluss ist die dauerhafte Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), mit der die Währungsbehörde der Wirtschaftskrise in weiten Teilen Europas Herr werden und Anreize für Investitionen schaffen will. Damit übernimmt die Zentralbank unfreiwillig eine Rolle, die seit Jahrzehnten die einzelnen Länder selbst ausgefüllt haben. Denn das stetige Wachstum der Vergangenheit schufen die Staaten durch eigene Investitionen künstlich selbst – auf Kosten steigender Staatsverschuldungen.

Inzwischen haben die Verschuldungsquoten westlicher Industrienationen ein mehr als kritisches Niveau erreicht. Geld, um das dringend benötigte Wachstum anzukurbeln, ist nicht mehr vorhanden. Allerorten wird gespart. Die EZB bedient sich nun eines Mittels, das bereits Milton Friedman vor mehr als 40 Jahren in Gedanken durchgespielt hat: Sie wirft Geld mit dem Hubschrauber ab. Doch während der
Wirtschaftsnobelpreisträger die Mittel über den Köpfen der einfachen Bürgerinnen und Bürger ausschütten und damit über den Konsum die Wirtschaft beleben wollte, schwemmt die EZB das Geld in die Volkswirtschaften und damit auf die Finanzmärkte. Der Preis für Geld ist extrem gesunken, das Zinsniveau auf historisch niedrigem Niveau. Zur Verbesserung der Investitionsbereitschaft hat das alles bisher nicht beigetragen, zu unsicher sind die Zeiten, zu gering die Absatzerwartungen. Nicht der letzte Prozentpunkt des Zinses ist also das Problem sondern die zurückgehende Kreditaufnahme an sich.

Zinsmarge ist verschwunden

Was sich allerdings verändert hat, sind die Verdienstmöglichkeiten der mittelständischen Banken – und das dramatisch zum Negativen. Denn die Haupteinnahmequelle von Volksbanken und Sparkassen – die Zinsmarge – ist praktisch weggebrochen. Sie beträgt normalerweise 75 Prozent ihres Umsatzes. Heute lässt sich allein mit der Hereinnahme von Einlagen und der Vergabe von Krediten kaum noch Geld verdienen. Stattdessen sind gewerbliche Investoren inzwischen dazu gezwungen, höhere Risiken einzugehen und sich der Spekulationswirtschaft zuzuwenden. Vor allem die internationalen Großbanken gehen aus
dieser Entwicklung als Sieger hervor, denn sie betreiben diese Art des Handels mit Aktien, Derivaten, Hedgefonds usw. seit jeher. Die 15 größten Banken der Welt sind in der vergangenen Dekade um
den Faktor 3 gewachsen. Das heißt, sie besitzen eine Größe, die das systemische Risiko für das volkswirtschaftliche Wirtschaftssystem immens erhöht hat. Die Abhängigkeit der Staaten von
ihnen nimmt weiter zu. Im gleichen Maße verringern sich die Kontrollmöglichkeiten der Staaten gegenüber den Großbanken. Der Hochfrequenzhandel blüht und hat eine Taktung erreicht, die schon lange nicht mehr fassbar ist. Durch die Niedrigzinspolitik unterstützt die EZB moralisch nicht akzeptable Geschäfte, wie beispielsweise das Spekulieren mit Nahrungsmittelpreisen. Insgesamt betragen die virtuellen Geschäfte inzwischen das Zehnfache des Geschäftsumfangs der Realwirtschaft. Außerdem entziehen sich die Finanzgroßkonzerne jeglicher Kontrolle, in dem sie inzwischen 50 Prozent der Finanzaktiva über Schattenbanken verwalten. Das systemische Risiko ist bereits jetzt immens gestiegen – die nächste Bankenkrise vorprogrammiert. Die in der Realwirtschaft agierenden Volksbanken und Sparkassen werden dem dieses Mal nichts entgegensetzen können. Stattdessen werden sie gezwungen sein, Kosten einzusparen und möglicherweise mit anderen Instituten zu fusionieren. Das Filialnetz wird ausgedünnt, die regionale Verankerung löst sich, die Kreditversorgung mittelständischer Unternehmen ist nicht mehr gewährleistet. Der Sparer wird sowohl Nähe als auch Vertrauen zu seiner Bank verlieren. Und das ist alles andere als verwunderlich. Schließlich werden seine Spareinlagen bis dahin zweimal entwertet sein: Das erste Mal durch die niedrigen Zinsen, das zweite Mal durch die Inflation, die dann zuschlägt, wenn die Geldblase platzt und die von der EZB in den Finanzmarkt gepumpten Geldmengen unkontrolliert in die Realwirtschaft fließen.

Was kommt nach dem Wachstum?

Die Niedrigzinspolitik verfehlt ihr Ziel. Stattdessen drängt sich eine unbequeme Wahrheit in den Vordergrund, mit der sich die Politik äußerst ungern beschäftigt. Es gibt kein unendliches Wachstum. Statt Symptome zu bekämpfen sollten wir damit beginnen, die Erfahrungen aus der Krise in einen positiven Prozess umzuwandeln. Wie kann ein Wirtschaftssystem in Zeiten des Postwachstums aussehen und funktionieren? Dazu braucht es kreative Ideen, die Bereitschaft zum Diskurs und eine breite öffentliche Diskussion. Die Ausgangssituation dafür könnte eigentlich nicht besser sein. Denn ein Wort wollen wohl weder Politiker noch Sparer und Banker mehr hören: Krise.

(QUELLE: gekürzte Fassung aus BANK INTERN 11/2015, den kompletten Text finden Sie hier: http://www.ethikbank.de/service/pressezentrum/pressestimmen.html)

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Kommentar

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Sehr vernünftig Herr Euler!
Ein von der Realwirtschaft abgekoppeltes Geldsystem kann nicht funktionieren. Ich würde als Maßnahme ja eine Haltefrist von mindestens 2 Wochen für Finanzprodukte vorschlagen, um wenigstens den spekulativen Druck aus dem System zu nehmen. Es ist doch absurd Geld für Millisekunden zur Verfügung zu stellen. Eine solche Art von Ressourcenvernichtung braucht die Welt absolut nicht.